Orbán stoppt die Finanzierung für Geschlechterforschung in Ungarn. Universitäten und Wissenschaftler*innen kritisieren diese Entscheidung stark und sehen damit einen Eingriff in die Autonomie der Wissenschaft und Bildung.
Geschlechterforschung* wird schon seit Jahren von rechten Gruppierungen und Parteien angegriffen. Die Alternative für Deutschland (AfD) fordert in ihrem Wahlprogramm, jegliche finanzielle Mittel für Geschlechterforschung einzustellen und tritt für die Abschaffung von Professuren in Gender Studies und Gleichstellungsbeauftragten ein.
Im August 2018 hat Ungarns Regierung bekannt gegeben, dass sie Geschlechterforschung von den Universitäten verbannen möchte. Sie sehe darin einen Angriff auf die christliche Familie. Die Regierung hat in einer Pressekonferenz ihre Überzeugung einer essentialistischen Rollenverteilung kundgetan und fordert einen stärkeren konservativen Kurs in Kunst, Wissenschaft und Bildung. Laut Vorlage können die bereits zugelassen Student*innen ihr Studium noch beenden, neue Jahrgänge können jedoch nicht mehr gestartet werden. Die Aktionen Ungarns haben auch Einfluss auf die deutsche Politiklandschaft. Die AfD Sachsen begrüßt Orbáns Schritte und fordert die Abschaffung eines solchen „unwissenschaftlichen Studiengang[s]“ um diesem „sexistische[n] Treiben auch in Sachsen“ ein Ende zu setzen (https://www.facebook.com/AfD.Sachsen/posts/1657041521091692).
Aktuell bieten zwei Universitäten in Ungarn Masterkurse in Geschlechterforschung an: die staatliche Eötvös-Loránd-Universität (ELTE) und die private amerikanische Central European University (CEU). Beide kritisieren stark den Eingriff der Regierung als unzulässigen Eingriff in die Autonomie der Hochschulbildung und Wissenschaft.
Der Verband feministischer Wissenschaftler*innen Österreich hat als Reaktion auf die Bekanntgabe einen Protestbrief verfasst. Sie kritisieren die Intervention des Staates und fordern die Freiheit von Wissenschaft. Auch das ungarische Netzwerk der Universitätsdozent*innen protestiert gegen die geplante Abschaffung der Master-Studiengänge für Geschlechterforschung. Sie bitten Vertreter*innen des ungarischen, wie auch des ausländischen universitären und akademischen Lebens, sich diesem Protest anzuschließen.
Gerade jetzt, wenn rechte Parteien und Regierungen immer mehr gegen die Autonomie von Wissenschaft vorgehen, müssen wir solidarisch agieren und dafür sensibilieren. Professuren in Geschlechterforschung sind in über 30 verschiedenen Themengebieten vorzufinden — von Informatik bis zu Medizin. In Deutschland beträgt der Anteil der Gender Studies-Professuren nur 0,4%. Solche Angriffe auf Geschlechterforschung sind keine akademische Konfrontation, sondern ein politischer Schlag gegen u.a. eine progressive Familien- und Frauen*forschung.
*Geschlechterforschung befasst sich mit der Verteilung von sozialen Normen, was als männlich und weiblich gilt, und wie Rollenbilder von Gesellschaften geprägt werden. Themen, die untersucht werden, sind unter anderem Geschlechterungleichheit, demographische Anliegen und Fragestellungen, die die Familie betreffen.