Die schlechten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft werden seit geraumer Zeit angeprangert. Im Fokus der Kritik stehen vor allem kurze Vertragslaufzeiten, unsichere Zukunftsperspektiven und schlechte Bezahlung. Nicht zuletzt auf Betreiben von Gewerkschaften und Interessensverbänden, wie GEW — Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, freier zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) und BdWi, wurde das Wissenschaftszeitvertragsgesetz 2015/16 geändert. Hauptangriffspunkt dieser Reform war die Regelung von Befristungen. In der Regel können Wissenschaftler*innen in ihren Qualifikationsphasen nur 6 Jahre befristet werden. Danach müssen sie entfristet werden. Konkret bedeutet das, dass studentische Hilfskräfte 6 Jahre befristet arbeiten können, bis zum Abschluss der Promotion weitere 6 Jahre befristet werden darf und in der Post-Doc-Phase bis zur erfolgreichen Habilitation weitere 6 Jahre Kurzverträge vergeben werden können. Nach Ablauf einer sechs Jahre währenden Etappe aus minimalen Vertragslaufzeiten, die selten länger als ein Jahr sind, muss entfristet werden. Oder das Arbeitsverhältnis endet. Oder es geht in die nächste Qualifikationsphase. (Es gibt ja 3!) Oder man lässt sich über Drittmittelprojekte finanzieren. (Das ist nur für “nicht-wissenschaftliche” Mitarbeiter*innen, also in diesem Zusammenhang für Verwaltungsangestellte, unterbunden worden.) Das ist auf jeden Fall ein Verhandlungserfolg der progressiven Akteur*innen in der Wissenschaftspolitik. Vor allem weil damit anerkannt wurde, dass es ein massives Problem in der Wissenschaft gibt. Und das heißt: Ausbeutung. Leider wird das durch die neuen Befristungsregelungen, wie oben angedeutet, kaum beseitigt. Denn erstens ist es schon reiner Wahnsinn, dass viele Menschen de facto 18 Jahre (oder wenn sie Kinder bekommen noch länger) auf Mini-Verträgen hocken. Zumal nicht geregelt ist, wie lang die Verträge in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Qualifikationsphasen sein müssen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es Menschen gibt, die über weite Teile ihres Lebens nicht länger als ein paar Monate planen können. Zweitens ist auch nicht viel gewonnen, wenn sie nach einer der genannten Phasen einfach rausgeworfen werden oder sie sich von Drittmittelprojekt zu Drittmittelprojekt hangeln. Das progressive Ziel war und ist freilich ein anderes: Die Arbeitgeber*innen sollen gezwungen werden zu entfristen. In der Regel spätestens 6 bzw. 12 Jahre nach Studienabschluss. Fraglich ist allerdings, ob diese Rechnung aufgeht. Wenn die Hochschulen ansonsten zahlreiche Anreize für ihre Entfristungspolitik erhalten. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass befristete Stellen eher zu- als abnehmen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, die Grundmittel der Hochschulen reichen nicht aus, um die grundständigen Aufgaben zu erledigen. Das führt auch dazu an Personalkosten zu sparen. Weiterhin werden die Hochschulen offensiv zu Effizienzsteigerungen genötigt. Staatliche Mittel werden von quantitativen Leistungskriterien abhängig gemacht. Es ist inzwischen klar geworden, dass viele dieser Leistungskriterien wenig mit Qualität zu tun haben oder zumindest nicht den angeblichen Qualitätsanforderungen genügen die 18 Jahre Qualifikation rechtfertigen. Letztlich erklärt sich auch aus diesem Umstand die scheinbar widersprüchliche Arbeitsweise der Wissenschaftsbetriebe: Kein Unternehmen würde erst 18 Jahre qualifizieren und dann feuern. Die angebliche Qualifikation ist nichts als eine Verschleierung für Ausbeutung. Die Pseudo-“Lehrlinge” sind billige Arbeitskräfte. Denn sie können schon, was von ihnen verlangt wird. Daher die Forderung: Professuren für alle!
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