In den letzten Wochen und Monaten häufen sich die Vorwürfe gegen Vorgesetzte in der Wissenschaft, die ihre Mitarbeiter*innen oder Studierenden belästigen, mobben oder gängeln. Wir prognostizieren: Es wird leider noch weitere Skandale dieser Form geben. Denn das Wissenschaftssystem ist zutiefst patriarchal strukturiert. Despotismus und Missbrauch sind in diesem System angelegt – also keine Einzelschicksale, so traurig das auch ist.
Professor*innen haben eine Machtstellung, die ihnen weit mehr Einfluss als normalen Arbeitgeber*innen zugesteht. Neben der Funktion als Chef*innen, sind sie Betreuer*innen und Prüfer*innen. Sie entscheiden nicht nur über Verträge und Arbeitszeiten, sondern auch über die Vergabe von akademischen Graden, geben Empfehlungen an Stiftungen oder Kolleg*innen aus, unterstützen bei Akquise von Geldern oder entscheiden über Publikationen. Sie sind unumgängliche Türsteher*innen auf dem Weg in die Wissenschaft.
Wer das Wohlwollen der betrauten Professur verliert, steht ohne Gelder, ohne Referenz und meist ohne abgeschlossene Prüfung dar. Eine zweite Chance gibt es nur für die Wenigsten, weil Wissenschaft vielfach als lebensfüllende Beschäftigung daherkommt. Das heißt: Professor*innen verlangen nicht selten vollkommene Aufopferung und ständige Bereitschaft. Das wird schon im Studium als studentische Hilfskraft eintrainiert. Wer allerdings komplett von der aktuellen Betreuung vereinnahmt wird, hat kaum Möglichkeiten, sich so etwas wie ein zweites Standbein aufzubauen.
Weil ein großer Teil wissenschaftlicher Tätigkeiten, als Phasen einer umfassenden Ausbildung verbucht wird, lassen sich angehende Akademiker*innen mit geringen Löhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen abspeisen. Die akademische Ausbildung ist im Grunde genommen erst mit einer erfolgreichen Habilitation abgeschlossen. Die damit erlangte Lehrberechtigung geht allerdings verloren, wenn keine Titellehre erbracht wird. Im Wissenschaftsbetrieb ist selbst nach 18 Jahren „Ausbildung“ noch lange nichts sicher. So lange nicht bis man eine entfristete Stelle bekommen hat. In der Qualifizierungsphase es nicht unüblich, dass man sich weit über zehn Jahre in desolaten Lebensverhältnissen einrichten muss. Und desto länger ein*e angehende*r Akademiker*in an der eigenen Zukunft herumdoktert oder ‑habilitiert, desto schlechter rechnet sie*er sich die eigenen Chancen in einem anderen Berufsfeld aus. (Nebenbei bemerkt, ergibt sich die lange Arbeitsphase nicht zuletzt aus den vielen sachfremden Tätigkeiten, die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen von ihren Vorgesetzten abverlangt werden, sowie aus einer völlig unzureichenden Betreuung.) Das verstickt noch weiter in Unterwerfung. Und die Sorge, den Absprung zu verpassen, beschleicht spätestens all diejenigen, die auch nach der Promotion noch in der Wissenschaft verweilen.
Die Rede von „akademischen Eltern“ verweist also nicht bloß auf ein inniges Vertrauensverhältnis, es verweist auch auf ein Verhältnis, indem Missbräuche hinter verschlossenen Türen bleiben. Aus Angst, dass alles, wofür eine Person über Jahre gelebt hat, stillschweigend getilgt wird. Dazu muss es nicht mal einen großen Eklat geben, die Liebe kann einfach entzogen werden. Die Vertragsverlängerung bleibt aus und alles ist vorbei. Dieses Machtverhältnis ist patriarchal. Und auch darin gleicht es der (patriarchalen) Familie: Die Macht über Geld, Förderung und Unterstützung fließen letztlich bei einer Person zusammen, um deren Gunst mit allen Mitteln gekämpft werden muss.
Daran ändert sich auch nichts, wenn zum Teil auch Frauen diese Stellung einnehmen. Das Muster ist entscheidend. Vor diesem Hintergrund ist es auch kein großes Wunder, dass kaum Frauen in den wichtigen Positionen der Wissenschaft zu finden sind. 80 % Prozent der Professuren werden von Männern geführt. In Seilschaften, die Frauen* zum Teil explizit ausschließen, fördern sie sich gegenseitig.
Genau wegen derartiger Verhältnisse sind chilenische Wissenschaftler*innen und Student*innen massenhaft auf die Straße gegangen und haben mehrere Institute besetzt. Viele der Aktionen, die als „La ola feminista“ (Die feministische Welle) bekannt geworden sind, wurden ausschließlich von Frauen* organisiert. Auch in Deutschland besteht die objektive Notwendigkeit einer solcher Bewegung.
Professor*innen haben eine Machtstellung, die ihnen weit mehr Einfluss als normalen Arbeitgeber*innen zugesteht. Neben der Funktion als Chef*innen, sind sie Betreuer*innen und Prüfer*innen. Sie entscheiden nicht nur über Verträge und Arbeitszeiten, sondern auch über die Vergabe von akademischen Graden, geben Empfehlungen an Stiftungen oder Kolleg*innen aus, unterstützen bei Akquise von Geldern oder entscheiden über Publikationen. Sie sind unumgängliche Türsteher*innen auf dem Weg in die Wissenschaft.
Wer das Wohlwollen der betrauten Professur verliert, steht ohne Gelder, ohne Referenz und meist ohne abgeschlossene Prüfung dar. Eine zweite Chance gibt es nur für die Wenigsten, weil Wissenschaft vielfach als lebensfüllende Beschäftigung daherkommt. Das heißt: Professor*innen verlangen nicht selten vollkommene Aufopferung und ständige Bereitschaft. Das wird schon im Studium als studentische Hilfskraft eintrainiert. Wer allerdings komplett von der aktuellen Betreuung vereinnahmt wird, hat kaum Möglichkeiten, sich so etwas wie ein zweites Standbein aufzubauen.
Weil ein großer Teil wissenschaftlicher Tätigkeiten, als Phasen einer umfassenden Ausbildung verbucht wird, lassen sich angehende Akademiker*innen mit geringen Löhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen abspeisen. Die akademische Ausbildung ist im Grunde genommen erst mit einer erfolgreichen Habilitation abgeschlossen. Die damit erlangte Lehrberechtigung geht allerdings verloren, wenn keine Titellehre erbracht wird. Im Wissenschaftsbetrieb ist selbst nach 18 Jahren „Ausbildung“ noch lange nichts sicher. So lange nicht bis man eine entfristete Stelle bekommen hat. In der Qualifizierungsphase es nicht unüblich, dass man sich weit über zehn Jahre in desolaten Lebensverhältnissen einrichten muss. Und desto länger ein*e angehende*r Akademiker*in an der eigenen Zukunft herumdoktert oder ‑habilitiert, desto schlechter rechnet sie*er sich die eigenen Chancen in einem anderen Berufsfeld aus. (Nebenbei bemerkt, ergibt sich die lange Arbeitsphase nicht zuletzt aus den vielen sachfremden Tätigkeiten, die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen von ihren Vorgesetzten abverlangt werden, sowie aus einer völlig unzureichenden Betreuung.) Das verstickt noch weiter in Unterwerfung. Und die Sorge, den Absprung zu verpassen, beschleicht spätestens all diejenigen, die auch nach der Promotion noch in der Wissenschaft verweilen.
Die Rede von „akademischen Eltern“ verweist also nicht bloß auf ein inniges Vertrauensverhältnis, es verweist auch auf ein Verhältnis, indem Missbräuche hinter verschlossenen Türen bleiben. Aus Angst, dass alles, wofür eine Person über Jahre gelebt hat, stillschweigend getilgt wird. Dazu muss es nicht mal einen großen Eklat geben, die Liebe kann einfach entzogen werden. Die Vertragsverlängerung bleibt aus und alles ist vorbei. Dieses Machtverhältnis ist patriarchal. Und auch darin gleicht es der (patriarchalen) Familie: Die Macht über Geld, Förderung und Unterstützung fließen letztlich bei einer Person zusammen, um deren Gunst mit allen Mitteln gekämpft werden muss.
Daran ändert sich auch nichts, wenn zum Teil auch Frauen diese Stellung einnehmen. Das Muster ist entscheidend. Vor diesem Hintergrund ist es auch kein großes Wunder, dass kaum Frauen in den wichtigen Positionen der Wissenschaft zu finden sind. 80 % Prozent der Professuren werden von Männern geführt. In Seilschaften, die Frauen* zum Teil explizit ausschließen, fördern sie sich gegenseitig.
Genau wegen derartiger Verhältnisse sind chilenische Wissenschaftler*innen und Student*innen massenhaft auf die Straße gegangen und haben mehrere Institute besetzt. Viele der Aktionen, die als „La ola feminista“ (Die feministische Welle) bekannt geworden sind, wurden ausschließlich von Frauen* organisiert. Auch in Deutschland besteht die objektive Notwendigkeit einer solcher Bewegung.
1 Comment
Pingback: LabourNet Germany Machtmissbrauch in der Wissenschaft » LabourNet Germany