Bildung und Öffentlichkeit im Neoliberalismus
Die bürgerliche Öffentlichkeit missversteht sich als Ort des freien Diskurses, in dem gemeinsam die Wahrheit ermittelt werde und darauf basierend die richtigen politischen Entscheidungen vorbereitet werden. Analog dazu wird Bildung gemeinhin als Weg zu Wohlstand, Glück und Mündigkeit dargestellt. In diesen Behauptungen, die vielfach in den Massenmedien Verbreitung finden, spiegelt sich tatsächlich das aufklärerische Emanzipationsversprechen wider. Bildung und Öffentlichkeit sind in mehrfacher Hinsicht aufeinander bezogen: Einerseits verspricht die Möglichkeit zur freien Rede in der Öffentlichkeit eine gegenseitige Bildung, einen gemeinsamen Erkenntnisfortschritt und somit auch Ort wissenschaftlicher Kooperation. Andererseits lässt sich argumentieren, dass eine mündige und kritische Teilnahme an öffentlichen Debatten bereits Bildung voraussetze.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob die realexistierende Öffentlichkeit und das Bildungswesen des bürgerlichen Staates tatsächlich in die menschliche Emanzipation führen oder ob sie nicht vor allem bornierten Verwertungszwecken unterworfen sind. Jedenfalls läuft es dem Aufklärungsanspruch zuwider, dass Bildung eben kein öffentliches, allgemein zugängliches Gut ist. Wie genau die Öffentlichkeit konstituiert ist, bleibt ungeklärt. Der Marktplatz der Ideen, in dem sich der zwanglose Zwang des besseren Argumentes durchsetzt, lässt sich jedenfalls nicht ausfindig machen. Denn wie Bildung so ist auch der Zugang zum „öffentlichen“ Diskurs beschränkt. Nicht nur in den Zeiten als Kommunikation durch die Druckpresse und Flugschriften revolutioniert wurde, setzte die Verbreitung von Erkenntnis wie auch von Täuschungen Produktionsmittel und damit Kapital voraus. Auch heute noch entscheiden Medienhäuser darüber, was überhaupt publiziert wird. Das viel beschworene Internet wird von vermittelnden Instanzen dominiert. Der Zugang zu Informationen wird weitgehend über die Algorithmen von Intermediären und von der Funktionsweise künstlicher Intelligenzen reguliert. Neben der Kuratierung und Verbreitung von Wissen, stellt sich weiterhin die Frage, wie es überhaupt zustande kommt. So schlau Künstliche Intelligenzen auch sein mögen, sie erheben bisher keine empirischen Daten und haben kein Verständnis von Wahrheit. Allenfalls vermitteln sie Wahrheit. Doch lässt sich nicht garantieren, dass das zuverlässig gelingt.
Damit verschärft sich ein Problem: Kommunikation führt nicht unbedingt zu einem allgemeinen Erkenntnisprozess, sondern auch zur Verbreitung von Ideologien. Medien und Öffentlichkeit können und werden für Manipulation und Propaganda genutzt. Woher rührt also der ungebrochene Optimismus liberaler und linker Politiker*innen, dass das eigene Argument oder die moralische Pose sich am Ende durchsetzen würden?
Termine
Die Vorträge finden immer um 18 Uhr statt.
15.02.2024: Antifeminismus in sozialen Medien. Zu [Neu]rechten Bildpolitiken. Eve Obier
19.03.2024: Zwischen Meinungsfreiheit und Klassenkampf. Skizze einer materialistischen Theorie der Öffentlichkeit. Max Brinkmann
25.04.2024: „Was muss die Uni? Die Uni muss brennen!“ – Kritik der Universität heute. Luca Hermsen
29.04.2024: Die Subjektkonstituierung in der bürgerlichen Öffentlichkeit. Debora Eller
22.05.2024: N.N. (Themenfeld: KI und Kapitalismus) Sandra Sieron
30.05.2024: Katastrophe und Öffentlichkeit — Solidarische Perspektive auf die Klimakrise. Truc Nguyen
u.v.m.
Wer Lust hat beim Bündnis mitzumachen oder einfach nur mehr von unseren Aktivitäten erfahren möchtet, kann sich gerne in das Kontaktformular eintragen. Das ist aber nicht notwendig, um an den Vorträgen teilzunehmen. Diese sind öffentich. 😉
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