Warum Lernfabriken …meutern! ? Und was ist das eigentlich?
Das Bündnis Lernfabriken …meutern! zielt auf eine umfassende Politisierung von Bildung, Wissenschaft, Erziehung und Sorgearbeit ab. Es geht also darum, die Erfahrungswelt in Schule, Uni, Ausbildung und Jobcenter auf gesellschaftliche Verhältnisse zu beziehen und sie als veränderlich zu begreifen. Das Bündnis kämpft in erster Linie gegen die soziale Ausgrenzung im Bildungswesen und gegen eine fortschreitende Ökonomisierung desselben. Diese Mängel werden auf gesellschaftliche Strukturen bezogen, ihnen wird eine umfassende Demokratisierung entgegen gehalten. Dazu schließen sich in diesem Bündnis Lernende mit allen Beschäftigten im (Aus-)Bildungssystem zusammen. Einerseits trägt Lernfabriken …meutern! eine grundlegende Sozial‑, Bildungs- und Wissenschaftskritik in die Öffentlichkeit. Damit betreibt das Bündnis Aufklärung im besten Sinne. Andererseits stellt es eine organisatorische Plattform für Menschen dar, die bislang keine politische Aktionsfläche gefunden haben. Damit bietet Lernfabriken …meutern! einen leichten Einstieg in Politik. Das ist im Sinne aller fortschrittlicher Organisationen und Strömungen, die sich eine möglichst breite politische Aktivität erhoffen. Denn diese sorgt mittelfristig dafür, dass linke Organisationen wachsen und fortschrittliche Politiken auch durchgesetzt werden können.
Nicht zuletzt versucht das Bündnis realpolitische Erfolge zu erzielen. Wichtig ist dabei, dass Lernfabriken …meutern! keineswegs darauf festgenagelt werden will, bloße Abwehrkämpfe zu führen, sondern neue politische Impulse liefert. Denn linke Politik darf nicht bei einer romantischen Ablehnung neoliberaler Androhungen stehen bleiben. Linke Politik zeichnet sich dadurch aus, bislang unbekannte oder noch nicht beschrittene Wege aufzuzeigen. Wir machen also neue Vorschläge und leisten eine Kritik, an dem was bisher als „normal“ galt. Letzteres ist besonders in der Bildungspolitik zu kurz gekommen. Wir wollen das ändern. Denn nur so können Mehrheiten begeistert werden.
Vor allem rechtfertigt sich das Bündnis aus der Notwendigkeit heraus: Das Bildungswesen ist Dreh- und Angelpunkt zeitgenössischer Sozialisierung. Hier treffen sich Erziehungsarbeit und Lohnarbeit auf mehren Ebenen; und hier wird entschieden, ob Herrschaft erneuert, wiederholt oder durchbrochen wird. Autoritäre Einstellungen haben ihren Ursprung nicht zuletzt darin, wie Familie, Bildung und Arbeit funktionieren. Wer fortschrittliche und solidarische Einstellungen und Praxen verbreiten möchte, kann Bildungspolitik nicht ausklammern.
Was haben wir bisher erreicht? Was lässt sich daraus lernen?
Seit Bestehen des Bündnisses haben wir in mehr als 15 Städten lokale Basisgruppen, Arbeitskreise bzw. Aktionsbündnisse aufgebaut. Diese haben zu verschiedenen Zeitpunkten die Öffentlichkeit über Missstände im Bildungswesen informiert und Aktionen organisiert. Am 21. Juni 2017 haben wir in über zehn Städten Demos und Veranstaltungen organisiert. Im Dezember 2016 haben sieben Gruppen öffentliche Fotoaktionen durchgeführt, über die ein weiteres Mal die politischen Ziele des Bündnisses medienwirksam verbreitet wurden. Das Netzwerk des Bündnisses erstreckt sich über mehr als 40 Städte, in denen Interessierte und Aktive die Entwicklung des Bündnisses verfolgen und unterstützen. Auf dem Info-Verteiler von Lernfabriken …meutern! stehen über 700 E‑Mail-Adressen. Viele davon sind Verteiler oder Funktionsadressen, auf die mehr als zehn Menschen Zugriff haben. Das Bündnis wird von zahlreichen Jugendorganisationen, Studierenden- und Schüler*innenvertretungen ideell und personell unterstützt.
Dennoch müssen wir selbstkritisch feststellen, dass die Schlagkraft des Bündnisses an einigen Stellen hinter den Hoffnungen oder Erwartungen vieler Aktiver zurückgeblieben ist. Nicht nur gibt es eine gewaltige Kluft zwischen der Ausdehnung des Netzwerkes und der tatsächlich Menge aktiver, lokaler Gruppen. Auch die öffentliche Begeisterung für unsere Demonstrationen kann kritisch beäugt werden. So bewegten sich die Demos in Größenordnungen zwischen 150 und 500 Personen. Das ist kein Vergleich zu den Bewegungen der Jahre 1997, 2005/06 und 2009. (Nebenbei bemerkt gibt es ausführliche inhaltliche Kritiken an ehemaligen Bildungsbewegungen, die wir implizit in unserem Strategiepapier verarbeitet haben.) Zusätzlich sind Größe und Zahl unserer Basisgruppen tendenziell rückläufig. Die Disziplin der lokalen Gruppen war dementsprechend im Dezember 2017 geringer als im Juni.
Zumindest rückblickend ist diese Bilanz nicht besonders verwunderlich: Das Jahr 2017 hat (zum Glück!) bildungspolitisch keine großen Miseren bereitgehalten. Vergangene Proteste haben sich gegen die Einführung von Studiengebühren, Schulzeitverkürzung und die Umstellung auf Bologna gerichtet. Das waren politische Erdbeben, die massenhaft menschliche Schicksale bestimmt haben. Schüler*innen sind mit einer gänzlich neuen und undurchdachten Arbeitsbelastung konfrontiert worden, zahlreiche Studierende mussten mit dem Rauswurf aus der Uni rechnen. Die neoliberalen Paukenschläge sind abgeklungen, momentan werden eher schleichende Verschiebungen vorangetrieben. Die Probleme in den Basisgruppen sind nicht bloß durch die große Arbeitsbelastung aufgrund der Demos zu erklären. Tatsächlich ist ein derartiger Schwund relativ üblich. Bewegungsorientierte Basisgruppen haben erfahrungsgemäß eine geringe Halbwertszeit. Das können wir ändern, wenn wir die Arbeitsweise des Bündnisses nachjustieren. Diese hat sich bisher dadurch ausgezeichnet, dass auf den Konferenzen ein Aktionsplan beschlossen wurde, der dann als Zielpunkt der lokalen Arbeit gesetzt wurde. Ansonsten haben nach den Konferenzen in Essen und Hannover jeweils zwei überregionale Arbeitsgruppen versucht, die Struktur zusammenzuhalten. Ihr Schwerpunkt lag auf der Organisation von Konferenzen, Netzwerkarbeit und der Betreuung unserer Web- bzw. Social Media-Präsenz. Die Arbeit dieser Gruppen ist unterm Strich wesentlich effizienter als die Vorgehensweise in vergleichbaren überregionalen Gremien. Allerdings arbeiten die Gruppen nicht kontinuierlich und sehr ungleichmäßig. Trotz des insgesamt hohen Niveaus der überregionalen Strukturen, die nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung durch den fzs so viel erreichen, besteht auch dort noch sehr viel Luft nach oben. Diese können wir ausfüllen, wenn wir unsere Arbeitsweise an ein paar entscheidenden Stellen modifizieren.
Bei aller Selbstkritik bleibt Lernfabriken …meutern ein notwendiges Projekt. Es bietet eine Vernetzungsplattform, die bislang gefehlt hat. Das Bündnis benennt Probleme, die zuvor unter gegangen sind und die nur gelöst werden können, wenn wir uns gruppenübergreifend zusammenschließen. Nicht zuletzt können wir Erfolge verzeichnen, die wir pflegen und ausbauen sollten: Die Infrastruktur von LFM ist kontinuierlich professioneller geworden, das Netzwerk stets gewachsen. Wir haben es geschafft Menschen von Politik zu begeistern.
Was wir machen ist notwendig und möglich. Es ist sogar wesentlich besser möglich als noch vor zwei Jahren. Dank unserer bisherigen Arbeit. Und daran sollten wir anknüpfen.
Was wollen wir in Zukunft (anders/weiter) machen?
Die meisten Ideen unseres Bündnisses finden wir weiterhin gut. Aus unseren bisherigen Erfahrungen lassen sich allerdings auch viele Veränderungen in der Praxis ableiten. Im folgenden einige Vorschläge:
Basisorganisation und Netzwerk
Das ist uns weiterhin wichtig. Basisgruppen scheinen uns der beste Weg zu sein, um Menschen zu organisieren, die bislang noch nicht aktiv waren. Allerdings ist es hilfreich das Bündnis stärker für andere Strukturen zu öffnen. Auch überregionale Strukturen, wie z.B. der fzs e.V., SDS, Grüne Jugend oder Juso HSG unterstützen das Bündnis und sind insofern gleichberechtigter Teil des Bündnisses. Viele Basisorganisationen dieser Strukturen haben in einzelnen Städten die Proteste massiv unterstützt und viele Wissen und Erfahrung eingebracht. Das Bündnis ist insofern auch Netzwerk. Das wollen wir in Zukunft stärker einholen, indem wir uns mit allen Teilen des Bündnisses mehr austauschen. Wir versprechen uns davon eine regere Beteiligung und eine bessere Koordinierung. Vor allem die Vernetzung mit den Landesschüler*innenVertretungen (LSV), der Bundesschüler*innenKonferenz (BSK), und Schüler*innenvertungen Bildungswerk (SVB) wollen wir ausbauen.
Organisation und Planung
Bislang haben wir uns auf den Konferenzen einen Fahrplan gesetzt und diesen zwischen den Konferenz umgesetzt. Diese Fahrpläne wurden meist erst Sonntagmittag beschlossen, was die Gruppendisziplin extrem belastet hat. Das erklärt sich aus der Entwicklung des Bündnisses (Zunächst mussten Themen, Layout, Strategievorschlag, Aufruf und konkrete Ziele entwickelt werden.) Nun werden wir mehr Raum für strategisch Planungen einrichten. Einerseits sollen die Pläne darüber verständlicher, verbindlicher und realistischer werden. Anderseits soll so die Arbeitsweise des Bündnisses offener gestaltet werden. So wäre es wünschenswert, wenn die Arbeitsgruppen auch zwischen den Konferenzen mehr Kontakt zur Basis suchen.
Für die gemeinsame Organisation ist es wichtig, dass wir außerhalb der Konferenzen möglichst eng zusammen arbeiten. Am besten gelingt das, indem wir unsere bildungspolitischen Kämpfe verbinden und uns dabei gegenseitig stärken. Dafür werden wir mehr Energie in die Organisation von Arbeitsgruppen lenken.
Dezentraler Aktionstag
In den vergangenen Monaten haben wir festgestellt, das gemeinsame Aktionen von der Presse aufgegriffen werden, zu einem Anwachsen der Gruppen führen und überhaupt zu einer strukturierten Arbeitsweise des Bündnisses beitragen. Daher halten wir es für sinnvoll auch in Zukunft für sinnvoll gemeinsame Aktionstage zu organisieren. Wichtig ist, dass diese einzelne Gruppen nicht überfordern und allen klar ist, mit welchen Effekten wir rechnen. Die überregionalen Strukturen können derartige Aktionen in Zukunft besser unterstützen. Das sollte im Bündnis zukünftig eine höhere Priorität haben
Diachrone Kommunikationsguerrilla
Eine sehr effiziente und weniger Personen intensive Öffentlichkeitsarbeit liegt in Kommunikationsguerrilla und kreativen Kunstaktionen. In diesem Bereich müssen wir uns gemeinsam Kompetenzen aneigenen und dann unsere Energien punktuell ausrichten
Bildungsarbeit
Im Bündnis können wir einen Referent*innenpool und verschiedene Materialien für alternative Bildungsveranstaltungen bereitstellen. Das erleichtert die Arbeit an der Basis. Finden derartige Veranstaltungen synchron statt, können sie sogar Kampagnenarbeit unterstützen und mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit in einandergreifen
Newsletter-Flugblatt
Um unsere Kämpfe zu verbinden ist es sinnvoll zukünftig alle sechs Wochen einen informativen Newsletter zu verschicken, indem auf 1–2 Seiten wichtige Infos zu aktuellen Themen zu finden sind. Wir werden den Newsletter so gestalten, dass er auch in Mensarien als Flugblatt in schwarz-weiß ausgeteilt werden kann. Insbesondere in Reformunis haben wir mit dieser Informationspolitik gute Erfahrungen gemacht. Der Newsletter dürfte schon in der Entstehung den Zusammenhalt des Bündnisses stärken.
Wo sparen wir Zeit und Kraft?
Weniger ist mehr – Zu Demos, Aktionen und Konferenzen
Wir können unsere überregionalen Konferenzen in Zukunft kräftesparender organisieren, indem wir den Druck aus der engen zeitlichen Taktung nehmen und die nächste große Konferenz (200 Menschen) im November organisieren. Davor halten wir dafür Arbeitstreffen und Bündnistreffen ab. Zwar können wir auch auf einem offenen Bündnistreffen bis zu 60 Menschen versorgen, wir müssen uns aber nicht abmühen so viele zu mobilisieren und werden kein großes Workshop-Programm anbieten. Das entlastet viele Menschen und verbessert auch die Konferenz. Dafür können wir in einem ungezwungeneren Rahmen intensivere Arbeitstreffen organisieren.
Öffentlichkeitsarbeit
Zum Teil wurde minutiöse Facebook-Arbeit geleistet. Das war wichtig und gut. LFM hat fast so viele Likes wie die bundesweite Studierendenvertretung. Und das in kürzester Zeit. Die Zeit die wir darüber sparen könnten wir in den Newsletter und damit verbundene Netzwerkarbeit stecken.
Neue Basisaktionsformate können Kraft sparen
Statt auf Krampf riesige Demos zu organisieren, konzentrieren wir uns auf effiziente politische Interventionen. Sie sollen daran gemessen werden, dass sie Menschen Politisieren, die Öffentlichkeit erreichen oder politischen Druck erzeugen, der im besten Falle realpolitische Veränderungen nach sich zieht.
Was bedeutet das mittelfristig
Wir werden unsere Ressourcen darauf lenken, ein starkes Netzwerk zu etablieren, indem möglichst viele Akteur*innen handlungsfähig sind. Das geht nicht ohne offene Anlaufstellen, klare Kontaktpersonen und Wissensweitergabe. Das kostet zwar Zeit, wird aber dazu führen, dass wir in wenigen Monaten um ein vielfaches an Handlungsfähigkeit gewonnen haben.
[Stand Februar 2018 — Eine aktueller Bericht zur Selbsreflektion wird bald online gestellt.]
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