Viele Frauen und Kinder ist in der Zeit des Lockdowns Opfer verschiedener formen häuslicher Gewalt geworden. Viel zu oft nehmen wir häusliche Gewalt als bittere Normalität war. Aber diese Krise sollte uns lieber wachrütteln, damit wir gesellschaftliche Verantwortung für diese Gewalt übernehmen.
Zu Beginn des Lockdowns im Zuge der Covid-19-Pandemie haben in Deutschland Hilfsorganisationen auf die Gefahr des Anstiegs häuslicher Gewalt hingewiesen. Anfang Juni wurde dann eine erste Studie zu den Erfahrungen von Frauen in die vorangegangenen Monaten veröffentlicht. Demnach haben 3,1% aller Frauen in Deutschland im März und April diesen Jahres körperliche Gewalt, 3,8% emotionale Gewalt und 3,6% sexualisierte Gewalt durch ihre Partner erfahren. In 6,5% aller Haushalte wurden Kinder körperlich bestraft, woraufhin es in 1,6% der Haushalte zu Verletzungen an den Kindern kam. Ebenso wurden 1,5% der Frauen in den abgefragten Monaten verletzt. Zu diesen Ergebnissen kamen zwei Wissenschaftlerinnen der TU München und des RWI – Leipniz-Instituts für Wirtschaftsforschung aufgrund der repräsentativen Befragung von etwa 3600 Frauen u.a. mittels indirekter Fragen. Demnach stieg die Häufigkeit der Gewalt bei psychischer Erkrankung eines der beiden Partner*innen, bei der Anwesenheit von Kindern unter 10 Jahren im Haushalt, bei finanziellen Sorgen, bei vollständiger Quarantäne und bei (teilweisen oder zeitweiligen) Arbeitsplatzverlust [1].
Viele, gerade offizielle, Stellen warnen in diesem Zusammenhang oft auf zynisch-verständnisvolle Weise vor dem Stress und den Sorgen, die in Krisenzeiten und beengten Wohnungen zur Gewalt führen. Dabei wird häusliche Gewalt teilweise als bitteres Normalität dargestellt. Vielmehr sollten uns diese alarmierenden jedoch aufrütteln und deutlich machen, dass die private Familie eben kein sicherer Rückzugsraum für Viele ist und wir eine gesellschaftliche Verantwortung auch für diese Gewalt haben [2].
In diesem Sinne ist es erfreulich, dass die Schulen immer weiter geöffnet wurden. Eine Notbetreuung nur für die Kinder von Eltern mit sogenannten systemrelevanten Berufen anzubieten, war dagegen gefährlich und vergaß diese Gefahren der Gewalt. Auch anderen Hilfs- und Anlaufstellen gegen Gewalt und für sozialen Austausch, Unterstützung und Therapie muss es ermöglicht werden, unter hygienischen Bedingungen und geringerem Ansteckungsrisiko ihre Arbeit aufzunehmen, bzw. zu verstärken. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass einigen der befragten Frauen ihre sozialen, etwa telefonische, Kontakte durch den Partner kontrolliert wurden.
Zuletzt muss das auch ein Appell an uns alle sein, uns zu unterstützen und Bekannten und Nachbar*innen private Hilfe anzubieten und wir über die möglichen Hilfsangebote immer wieder informieren müssen. Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei und viele Familien sind immer wieder in Quarantäne. Nicht zuletzt zeigt die aktuelle Krise wie wichtig Frauenhäuser, Jugendzentren sowie die Jugend- und Sozialarbeit sind. Hier darf nicht gespart werden. In akuten Zeiten können zusätzlich von lokale Hotels angemieten.
⁃ Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen“: 08000 116 016 (kostenfrei)
⁃ Hilfetelefon „Schwangere in Not“: 0800 40 40 020 (kostenfrei)
⁃ Kinder- und Jugendtelefon „NummerGegenKummer“: 116 111 (kostenfrei)
⁃ Elterntelefon: 0800 111 0 550 (für Eltern in Belastungssituationen, kostenfrei)
⁃ Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530
⁃ evangelische/katholische Telefonseelsorge: 0800 111 0 111, 0800 111 0 222, 116 123 (kostenfrei)
⁃ Muslimische SeelsorgeTelefon: 030 44 35 09 821 (lediglich Verbindungskosten)
⁃ Vertrauenstelefon „Jüdische Hotline”: 0211 4698520, 0211 4698521 (lediglich Verbindungskosten, Jüdische Gemeinde Düsseldorf)
Viele der genannten Angebote sind auch online per Mail erreichbar.
[1] https://drive.google.com/file/d/19Wqpby9nwMNjdgO4_FCqqlfYyLJmBn7y/view
[2] https://www.youtube.com/watch?v=uBEQ59I-TiY
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