Leistung: Ein Legitimationsprinzip sozialer Ungleichheit im Bildungswesen
Von Suanne Pawlewicz
Das Leistungsprinzip konstituiert sich seit jeher als ein widersprüchliches Verhältnis. Als Potenzial mit Gerechtigkeitsanspruch, als ein befreiender Impetus und zugleich als ein ebendiesen Gerechtigkeitsanspruch faktisch verfehlendes Prinzip, als Norm und als Fatum, als konstruiertes, fragiles und dennoch soziale Realität schaffendes Prinzip, als überpräsent und gleichermaßen illusorisch, als Mythos, der erst aufgrund seiner Unschärfe zu beeindruckender Wirkmächtigkeit gelangt. Eine pädagogische Problematisierung dieses diskursiv so wirkmächtigen Paradigmas muss insbesondere danach fragen, welche sozial ausschließenden Effekte Konstruktionen von Leistung im Bildungswesen hervorbringen. Die Funktion des Leistungsprinzips beruht auf der Grundlage der formalen Gleichheit, deren normative Voraussetzung die Gleichheit und Gleichbehandlung aller ist. Die bei Eintritt in das Bildungswesen bereits vorhandene herkunftsbedingte Ungleichheit wird durch das Gleichheitspostulat und die damit einhergehende Ignoranz der Unterschiede hinsichtlich des “kulturellen Erbes” (Pierre Bourdieu) jedoch verstetigt. Leistung als Auslesekriterium wird der Anschein eines gerechten Selektionsverfahrens verliehen, die unterschiedlichen Voraussetzungen zur antizipierten Leistungsfähigkeit indes, die eklatant mit sozioökonomischen Privilegien und familiären Ressourcen in Beziehung stehen, werden nivelliert. Das Leistungsparadigma lässt sich im Anschluss an Pierre Bourdieu als eine Form der symbolischen Gewalt fassen, dessen Prinzipien der Klassifizierung und Hierarchisierung qua Leistung unerkannt bleiben und wie natürliche, legitime Prinzipien wirken, die von den durch diese Prinzipien am stärksten Benachteiligten mitgetragen und gerechtfertigt werden.
Ort: Café KoZ im Studierendenhaus der Uni Frankfurt
0 Comments
Leave a comment